Netzwerke gegen Kinderprostitution

[Hadiyati]

Der fairunterwegs-Koffer freut sich: Mit Destinationsschulungen bauen Reiseveranstalter an lokalen Netzwerken gegen Kinderprostitution.

Basel, 20.02.2008, akte/ Anfang letzten Jahres hatte der sich der fairunterwegs-Koffer gefreut, dass sich die Schweizer Reisebranche endlich gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern im Tourismus engagiert. Den vom internationalen Kinderschutznetzwerk ECPAT, der Welttourismusorganisation UNWTO und engagierten Reiseveranstaltern lancierte Verhaltenskodex der Tourismusbranche zum Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung im Tourismus“, kurz „The Code“ genannt, hatten bereits 240 Reiseunternehmen, Hotelketten, Airlines, Tourismusverbände und –behörden aus rund 20 Ländern unterschrieben. Inzwischen sind es schon über 600 Unternehmen in 23 Ländern. Aus dem ursprünglichen Projekt der Europäischen Union entstand 2005 die weltweite Dachorganisation, ebenfalls „The Code“ genannt. Angesichts der immer breiteren Ratifizierung entwickelte diese ein einheitliches Prozedere sowohl zur Unterzeichnung wie zur Umsetzung. Letztes Jahr an der Internationalen Tourismusbörse (ITB) stellte die Dachorganisation vor, wie auch reine Verkaufsorganisationen von Reisen den Verhaltenskodex unterzeichnen und umsetzen können. Und Globetrotter als Verkaufsorganisation machte für die Schweiz gleich den Anfang – ein Schritt, zu dem der fairunterwegs-Koffer nur gratulieren kann.

Pionierarbeit durch Hotelplan
Ein Kränzchen möchte der fairunterwegs-Koffer dem abtretenden Hotelplan-Umweltschutzbeauftragten und Vorsitzenden von „The Code“ , Kaspar Hess, und seinen Kollegen Christian Brogli und Nicole Stejskal winden: Dank deren Engagement hat Hotelplan als Erstunterzeichner von „The Code“ in der Schweiz den andern gezeigt wie’s geht. Innerhalb eines Jahres nach der Unterzeichnung im November 2003 hatte Hotelplan sein Leitbild ergänzt, entsprechende Klauseln in die Verträge mit Leistungsträgern aufgenommen, zusammen mit ECPAT Schweiz 40 Prozent seiner Mitarbeitenden in der Schweiz geschult, einen Flyer zur Sensibilisierung der Kundschaft erarbeitet und die AgentInnen in den Destinationsländern informiert. Seither wurden Hotelplan-Mitarbeitende und ihre Partner in der Dominikanischen Republik, in Thailand und in Kenia geschult. Geplant sind auch Schulungen in den anderen sogenannten „Hotspots“ für Kindersextourismus, dieses Jahr in Brasilien und Thailand.

Auch Kuoni hat die Nase vorn
Hotelplan war zwar der Erste, aber auch das Engagement von Kuoni findet der fairunterwegs-Koffer beachtlich. Kuoni hat in Sachen Kinderschutz seit der Unterzeichnung des Verhaltenskodex im Herbst 2006 mächtig aufgeholt, mit angepasstem Leitbild, Vertragsklauseln, Flyer in fünf Sprachen und Mitarbeiterschulung. Auch Kuoni macht Destinationsschulungen – ebenfalls in der Dominikanischen Republik, in Kenia und in Thailand. Der fairunterwegs-Koffer fragt sich, ob es da nicht zu Doppelspurigkeiten kommt bei einem Thema, bei dem nicht das Konkurrenz-, sondern das Kooperationsgebot gelten muss. Immerhin, die Anfangsschwierigkeiten bei der Zusammenarbeit wurden gelöst, sodass es in Thailand zu einer gemeinsamen Schulung kam. Der fairunterwegs-Koffer hofft, dass die Kooperation künftig auch in den anderen Destinationen zur Norm wird, zum Beispiel in Brasilien, wo auch Kuoni dieses Jahr eine Schulung vorsieht, und auch über die Grenzen der Schweiz hinweg die Kooperation mit den deutschen Reiseveranstaltern gepflegt wird. Denn Schulungen müssen regelmässig wiederholt werden, um trotz der grossen Fluktuation im Reisebusiness das Wissen zu erhalten. Intensive Schulungen können etwas bewirken. Das zeigt das Beispiel Kenia: Dort unterzeichneten nach der Schulung 40 kenianische Hotels den Verhaltenskodex.

Abläufe optimieren
Trotz allen Bemühungen: Gemäss UNICEF-Report von 2006 hat immer noch jede Minute ein Tourist Sex mit einem Kind. „Die Leute wissen oft nicht, wie sie vorgehen sollen, wenn sie etwas Verdächtiges sehen“, sagt Kaspar Hess. Da gilt es noch genauere Abläufe vor Ort festzulegen. Der Vater, der allein mit seinem Kind unterwegs ist, kann zum Beispiel schneller von den Verdächtigen ausgeschlossen werden, wenn die Polizei im Hotel nachprüft, wer ein Zimmer gebucht hat.“ Gemeinsam mit ECPAT Schweiz und der Schweizer Regierung will Hotelplan eine zentrale Helpline für Reisegäste einrichten. Dort sollen sie verdächtige Beobachtungen melden können. Im Land selbst muss das Netzwerk der lokalen Agenten, Hotelmitarbeitenden, Taxifahrern und Touristen noch engmaschiger funktionieren. Ziel ist es, die Kinderschänder spüren zu lassen, dass Gefahr laufen aufzufliegen. In Kenia waren auch Vertreter der Behörden in der Schulung anwesend – ein Zeichen für das wachsende Engagement. „Es ist wichtig, immer wieder präsent zu sein, denn oft sind es auch gesellschaftliche Muster, die zu Kindersextourismus führen: Während das missbrauchte Kind in Thailand das Opfer für seine Familie erbringen muss, die es zu erhalten gilt, gewinnt das Mädchen in Kenia an Ansehen, weil es viel Geld verdient. Oft finden unsere lokalen Angestellten das Problem nicht so schlimm, weil auch sie solche Erklärungsmuster verinnerlicht haben. Aber auch in der Schweiz fehlt einigen Mitarbeitenden noch da Problembewusstsein.“

TUI Suisse unterstützt Verhaltenskodex mit Einschränkungen
Der drittgrösste Schweizer Reiseveranstalter TUI ist – im Gegensatz zu anderen Gesellschaften der World of TUI - selbst nicht Mitglied von „The Code“. Er richtet sich jedoch im Rahmen der internationalen TUI-internen Zusammenarbeit nach dessen Regeln. Leitbild, Informationen und Vertragsklauseln sind mit denen von Hotelplan und Kuoni vergleichbar. Einzig was die Schulung anbelangt, ist TUI Suisse selbst nicht aktiv. Roland Schmid, Umweltbeauftragter von TUI, findet: „Die Zielsetzungen von ECPAT unterstützen wir vollumfänglich. Die Struktur von „The Code“ ist zurzeit noch zu komplex; die Kriterien sind noch zu bürokratisch. Warum müssen Reiseleiter durch TUI Suisse alleine geschult werden, wenn diese effizienter gemeinsam mit anderen TUI-Gesellschaften geschult werden können?“ In der Dominikanischen Republik hat der Deutsche Reisebüro-Verband für seine Mitglieder eine Destinationsschulung organisiert. Daran nahmen auch die Reiseleiter teil, welche Kunden von TUI Suisse betreuen. Warum soll eine von TUI Suisse organisierte Schulung für die gleichen Teilnehmer besser sein soll als die vom DRV“, fragt Schmid.

Dazu kann die vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) vorgenommene Evaluation der genannten Schulung von 2006 in Puerto Plata, Dominikanische Republik, Aufschluss geben. Bei der Befragung zeigte sich, dass es deutschen Reiseunternehmen noch an Problembewusstsein mangelt. Sie brauchen den Anstoss von ECPAT, die mit dem DRV die Schulung durchführte. Ein klares Indiz, dass nicht ein Verband wie der DRV anstelle der einzelnen Mitglieder das Engagement übernehmen kann. Der fairunterwegs-Koffer findet es dringend nötig, dass jeder einzelne Veranstalter die Verpflichtungen des "Code" eingeht und dafür sorgt, dass seine Mitarbeitenden im Herkunfts- und im Zielland systematisch geschult werden. So können sich diese auch besser mit den Anliegen des "Code" identifizieren.

Nach den schlimmen Unruhen in Kenia versuchen Kuoni und Hotelplan soviel vom Erreichten zu halten wie möglich, unter anderem mit der Unterstützung kleiner Nothilfeprojekte. „Aber“, so Kaspar Hess, „natürlich sind durch die bürgerkriegsähnlichen Zustände noch mehr Kinder verarmt. Dadurch sind sie auch stärker in Gefahr, Opfer von Kindersextourismus zu werden.“ 12 Prozent der Kinderschänder in Kenia sind Schweizer Touristen! Diese Tatsache, findet der fairunterwegs-Koffer, verpflichtet die Reisebranche zu einem klaren Engagement.

Quellen: Eigene Recherchen; EED Präsentation der Studienergebnisse Jan. 2008; Migros-Magazin 07.01.2008, Kinderschutz Schweiz Newsletter Nr. 2/2007, Dezember 2007; Schweiz Touristik, 14.12.2007; eturbonews 08.12.2007; www.eturbonews.com; Tages-Anzeiger 26.10.2007;

AutorIn: Nina Sahdeva, arbeitskreis tourismus & entwicklung, Basel